Emam Tallaa aus Syrien gelingt u. a. mit dem Tischtennissport die Integration in Deutschland

 

 

Andres Vogel





(vo) „Als ich 2015 zusammen mit meinem Vater und meinem kleinen Bruder aus Syrien floh, konnte ich überhaupt kein Wort Deutsch“. Heute spricht Emam Tallaa (23) so gut wie akzentfrei Deutsch und leistet erfolgreich in der IGS in Gifhorn und beim TTC Gifhorn ein Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) ab.

 

Die Heimaststadt seiner Familie ist die Millionenmetropole Daraa, südlich der syrischen Hauptstadt Damaskus. Diese Stadt gilt als eine derjenigen, in der sich 2011 Proteste der Einheimischen gegen die Gewaltherrschaft ihres Machthabers Baschar-Al Assad formierten. Doch der Präsident von Syrien ging gewaltsam gegen seine eigene Bevölkerung vor und ließ die Stadt bombardieren. Emams Vater flieht zusammen mit dem jüngeren Bruder (aktuell 13 J.) im Oktober 2015, zunächst per Bus ins Nachbarland Libanon. „Mein Vater war Lehrer, er hatte mit dem Widerstand gegen Assad gar nichts zu tun. Wir wollten aber unbedingt raus aus dem Bombenhagel“. Über weitere Länder (Türkei, Griechenland, Makedonien und Serbien) gelang den Dreien schließlich die Flucht bis nach Deutschland. Dabei war auch die Flucht lebensbedrohlich, denn bei der Überfahrt von der Türkei auf eine griechische Insel war das Schlauchboot mit 55 Personen, darunter Frauen und Kinder, völlig überladen. Stunden wurden benötigt um mit dem Boot das griechische Festland zu erreichen. „Wir hatten schon reichlich Wasser im Boot und drohten unterzugehen“, so Emam. In Deutschland wurde die Familie aus Syrien als Asylanten offiziell anerkannt. Mutter und Schwester (jetzt 17) blieben zunächst in Syrien, konnten aber später nach Deutschland nachkommen. Die erste Anlaufstation in Deutschland wurde für die Familie Müden/Aller; eine freundliche deutsche Familie nahm die drei Flüchtlinge auf. Emam besuchte die Kl. 9 und 10 des Gymnasiums Meinersen und lernte dabei die deutsche Sprache. Das war anfangs sehr hart, er verfügte zunächst nur über einige geringe Kenntnisse im Schulenglisch. Doch es stellten sich dann schnell Erfolge ein: Emam wechselte auf die BBS I nach Gifhorn und bestand hier an der Fachoberschule nach zwei weiteren Schuljahren sein Fachabitur im Bereich Gesundheit und Soziales. Ein weiterer hilfreicher Schritt für seine Integration bietet ihm der Tischtennissport. Dieser liegt sozusagen in der Familie: Ein Cousin von Emam spielte damals sogar in der syrischen Nationalmannschaft. Ein Onkel trainierte Emam bereits mit 9 Jahren in seiner Heimat. 8 Jahre spielt Emam für einen syrischen Verein, ehe er mit 17 die Flucht aus dem Land antrat. Derzeit ist er im Punktspieleinsatz für den VfR Wilsche-Neubokel. Im oberen Paarkreuz der Kreisliga verbuchte Emam bis zum Saisonabbruch im Dezember 2021 eine respektable 8:2 Einzelbilanz. Im August 2021 trat er eine FSJ-Stelle an der IGS Gifhorn und beim TTC Schwarz-Rot Gifhorn an, da dies auch als Praktikum zur Anerkennung seines Fachabiturs zählt. Den Kontakt zum TTC Schwarz-Rot Gifhorn stellte der Tischtennis-Verband Niedersachsen (TTVN) her; Emam überzeugte die Gifhorner Vorstandsmitglieder Christian Schlifski (1. Vorsitzender) und Andreas Brathuhn (Sport- und Pressewart) gleich beim Vorstellungsgespräch.

 

Emam Tallaa beim TTC-Gifhorn beim Jugendtraining

Eman Tallaa beim Balleimertraining

 

 

Beim TTC Schwarz-Rot Gifhorn leitet Emam zwei Mal wöchentlich das Jugendtraining und steht auf Wunsch auch für Extra-Trainingseinheiten zur Verfügung. Hilfreich ist er auch bei der Durchführung von Turnieren und Ranglisten. Am 2./3. April richtet der TTC Schwarz-Rot Gifhorn mit den Landesmeisterschaften der Senioren 60, 65, 70, 75,  80 und 85  eine Tischtennis-Großveranstaltung aus,  bei  der auch Emam wieder in der Turnierleitung sitzen wird.  Beim TTC ist Emam bereits der zweite FSJ-ler. Unlängst bestand Emam in Hannover beim TTVN die praktische und theoretische Prüfung für seine C-Trainerlizenz; die Ausbildung dazu dauerte ein halbes Jahr. Beim TTC wird derzeit wieder die Jugendarbeit verstärkt aktiviert: neben Emam wirken hier Yannis Horstmann (1. Jugendwart), Ulf Reichelt (2. Jugendwart), Pädagogin Christina Langmann und der 18-jährige Julian Rendelmann mit, der aktuell ebenfalls seine C-Trainerausbildung absolviert. 20 Stunden arbeitet Emam pro Woche für den TTC, die anderen 20 Stunden seiner FSJ-Stelle ist er für die IGS Gifhorn im Einsatz.  In der Schule ist Emam von Montag bis Freitag eigenverantwortlich für die Gestaltung der Mittagsfreizeit der Schüler verantwortlich. Zusätzlich unterstützt Emam die Lehrer beim Sportunterricht. Mittwochs leitet Emam eine Schulsport-AG Tischtennis für die 5. und 6. Klassen. Bei den Schülern ist Emam mit seiner sympathischen Art bereits voll anerkannt. Nach Abschluss seiner FSJ-Stelle im August 2022 würde Emam gerne ein Informatik-Studium aufnehmen. Natürlich wird er auch dann seinem Sport weiter treu bleiben. TTC-Pressewart Andreas Brathuhn: „Wir würden uns  sehr freuen, wenn Emams empathische Fähigkeiten im Umgang mit jungen Menschen, auch nach Beendigung des offiziellen FSJ-Jahres hinaus, dem Tischtennis-Sport erhalten bleiben. Die Ausübung der C-Trainer Lizenz wird ihm hierbei sicherlich vielfältige Möglichkeiten eröffnen“.

 

Die Entscheidung seines Vaters, 2015 nach Deutschland zu fliehen, war damals sicher eine sehr schwere. Heute bilanziert Emam: „15 Millionen Syrer sind seit 2011 auf der Flucht. Der Krieg in Syrien ist dort genauso so schlimm  wie derzeit in der Ukraine und es leiden in diesen Kriegen immer am meisten die Menschen. Meine Familie und ich haben bei allem das nötige Glück gehabt“.